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Ursprünglich spezifisch auf die US-amerikanische Politik und zur Erklärung des darin zeitweise vorherrschenden Popularitätszuwachs des Präsidenten gemünzt, etablierte sich das, was John Mueller[1] einst als „rally-round-the-flag“ beschrieb, rasch in den Literaturen der Politikwissenschaft und in der öffentlichen Meinung. Grundlegend handelt es sich hierbei um ein Phänomen, das den Zusammenhang zwischen folgender Variablen beschreibt: Das Auftreten einer Krisensituation und dem damit einhergehenden temporären Anstieg der Zustimmungswerte für die Regierungspartei oder politischen Führungskräfte. Versucht man nun dieses Konzept auf die gegenwärtige Corona-Krise anzuwenden, stellt man schnell dessen Konkurrenz als potenzielle Erklärung steigender Umfragewerte zum eigentlichen Krisenmanagement politischer Führer und Parteien fest.

So betitelte die ARD[2] beispielsweise jüngst den CSU-Parteivorsitzenden Markus Söder als „Krisengewinner“, da in ihm mehr als die Hälfte der Deutschen den derzeit geeignetsten Kanzlerkandidaten sehen. Generell erfreuen sich die beiden Parteien der Großen Koalition eines Anstiegs der Stimmenanteile bei den Sonntagsumfragen zur Bundestagswahl sowie bei den Umfragewerten ihrer jeweiligen Spitzenpolitiker in puncto Politikerzufriedenheit. Für Letztere dürfte Angela Merkels Zuwachs sinnbildlich als Besonderheit stehen, da ein derart hoher Wert gegen Ende der inzwischen vierten Legislaturperiode nicht direkt typisch ist. Ein regelrecht kongruentes Bild zeichnet sich im Nachbarland Österreich[3] ab. Während die dortige Bundesregierung, das Parlament und der Gesundheitsminister bereits großes Vertrauen genießen, ist es auch hier allen voran Bundeskanzler Sebastian Kurz, dessen Bewältigung der Corona-Krise zu bestechen scheint.

Wie steht es wiederum um (rechts-)populistische politische Führer und Parteien? Wie Beispiele zeigen, auf den ersten Blick durchaus vergleichbar. Der britische Premierminister Boris Johnson[4] und seine Conservative Party profitierten im April 2020 immens in Sachen Wählergunst: ein rapider Anstieg der „very well“, gepaart mit einem äquivalenten Abstieg der „very badly“ approval ratings waren die Reaktion auf den Beginn der Krise. Auf den zweiten Blick lassen sich im Monat Mai allerdings exakt gegenteilige Entwicklungen feststellen. Woraufhin sich die Kurven beider Bewertungskategorien sogar einander annäherten. Ist das die Resonanz der Bevölkerung auf die tatsächliche Handhabung der Pandemie, die den „rally-round-the-flag“ Aufschwung nach und nach revidiert?

Werfen wir einen Blick auf die in diesem Kontext derzeit wohl prominenteste Nation: die USA. Donald Trumps approval ratings stiegen im Verlauf des März und Aprils dieses Jahres über eine Quote von 45%. Und damit zum ersten Mal zurück auf den Höchstwert von 2017, bei seinem Amtseintritt. Folgerichtig fielen zugleich seine disapproval ratings unter 50%, was ihm zuletzt im März 2017 gelang. Aus seiner Sicht erfreuliche Tendenzen, angesichts der im November anstehenden Präsidentschaftswahl. Doch war es nicht Trump, der das Spritzen von Bleich- und Desinfektionsmitteln mit stolzer Brust als ultimative Lösung präsentierte? Exakt. Würde man ihm also über den Verlauf der letzten Monate einen adäquaten Umgang mit der aktuellen Ausnahmesituation attestieren? Eingefleischte „Trumpians“ wohl zweifelsohne. Wohingegen die mittlerweile sechsstellige Zahl der Corona-Todesfälle in den USA eine andere Sprache spricht. Unzählige üben vehement Kritik und fragen sich zurecht, wie der geradezu zynische Umgang mit einer globalen Massenerkrankung auch noch mit steigendem Support honoriert werden kann.

Indes untermauern die jüngsten Entwicklungen der aussagekräftigen approval/disapproval ratings von FiveThirtyEight[5] gleichwohl eine bereits in Aussicht gestellte Wendung des „rally-round-the-flag“ Phänomens. Folgt man den Ausführungen des Wissenschaftlers Matthew A. Baum[6], erfreuen sich nämlich die temporären Anstiege nur selten langfristiger Beständigkeit, was sich wiederum in den hier erneut absinkenden Zustimmungswerten gegen Ende der Krise manifestiert. Ähnlich wie im Falle Johnsons, wenden sich die Kurven beider Ratings, zu Lasten der Beliebtheit Trumps, plötzlich einander entgegengesetzt.

Über kurz oder lang sind demnach Entwicklungen in zwei auseinanderdriftende Richtungen wahrscheinlich. Auf der einen Seite wird ein nachhaltig zufriedenstellender Umgang mit Covid-19 durch entsprechend stabil bleibende Zustimmungswerte belohnt werden, zum Teil losgelöst von potenziellen „rally-round-the-flag“ Effekten. Auf der anderen Seite werden ebendiese Effekte schlussendlich nachlassen, was eventuelles Missmanagement mit sinkenden Zustimmungswerten quittieren wird. Je nach Ausmaß der Unzufriedenheit, fallen diese gegebenenfalls auf ein tieferes Niveau als vor der Krise. Daher bleiben die kommenden Monate des Abschwellens der Pandemie gespannt abzuwarten, in denen die Rezeption der Krisenbewältigung sowie die Adressierung neuer hervorstechender Probleme und Themen wegweisend sein werden. Egal, ob für den amtierenden US-Präsidenten oder ambitionierte Anwärter auf eine Kanzlerkandidatur in Deutschland.

Es ist demzufolge nicht ihr Krisenmanagement in Corona-Zeiten, welches Rechtspopulisten wie Donald Trump zunächst Aufschwung in Umfragen bescherte. Es ist die Krise selbst. Seine sinkenden approval ratings hingegen setzen dem amerikanischen Präsidenten ein negatives Denkmal für seinen Mangel an Führungsqualitäten in solchen Zeiten. Und das nur wenige Monate vor seiner, mit Verlaub, hoffentlich ausbleibenden Wiederwahl.

Es ist demzufolge nicht ihr Krisenmanagement in Corona-Zeiten, welches Rechtspopulisten wie Donald Trump zunächst Aufschwung in Umfragen bescherte. Es ist die Krise selbst.


[1] Mueller, J. (1970). Presidential Popularity from Truman to Johnson. The American Political Science Review, 64(1), 18-34.

[2] Ehni, E. (2020). ARD-Deutschlandtrend: Söder Ist Der Krisengewinner: https://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend/.

[3] Statista (2020). Österreich – Vertrauen Politik Corona-Krise 2020: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1109324/umfrage/vertrauen-in-die-politik-waehrend-der-corona-krise-in-oesterreich/.

[4] YouGov (2020). Boris Johnson Approval Rating: https://yougov.co.uk/topics/politics/trackers/boris-johnson-approval-rating.

[5] FiveThirtyEight (2020). How Popular Is Donald Trump?: https://projects.fivethirtyeight.com/trump-approval-ratings/.

[6] Baum, M. A. (2002). The Constituent Foundations of the Rally-Round-the-Flag Phenomenon, International Studies Quarterly, 46(2), 263–298.

David Bauer
David Bauer erlangte 2017 seinen Bachelor in Governance and Public Policy an der Universität Passau. Heute steht der Political Science Student unmittelbar vor seiner Masterarbeit an der Paris-Lodron-Universität Salzburg. In seinen wissenschaftlichen Arbeiten befasst er sich vorrangig mit (Rechts-)Populismus und der Analyse von Parteiprogrammen.

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