Sepp Schellhorn im Gespräch mit diePlattform
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Sepp Schellhorn sitzt für die NEOS seit 2014 im Nationalrat, ist Landesvorsitzender von NEOS Salzburg und seit Juni auch stellvertretender Bundesvorsitzender. In unserem Gespräch reden wir mit ihm über den Erfolg bei der Salzburger Landtagswahl, den Führungswechsel an der NEOS-Parteispitze und den Kurs der Regierung, sowohl in Österreich als auch an der EU-Ratsspitze.

Wir haben uns gedacht, wir beginnen mal mit Salzburg. Ihr habt es jetzt in Salzburg in die Landesregierung geschafft, ihr habt euer bestes Ergebnis bis jetzt in Salzburg eingefahren.

Das beste Landtagsergebnis aller Bundesländer.

Was uns jetzt auch interessiert, was hat NEOS in Salzburg gemacht? Beziehungsweise was hat NEOS anders gemacht als auf der Bundesebene, dass es in Salzburg funktioniert hat?

Schwierig zu sagen, also da muss man differenzieren. Das hat natürlich auch was mit meiner bekannten Marke zu tun. Und zum anderen war es aber auch eine zugeschneiderte Kampagne auf mich. Mit den Themen Transparenz, Chancengleichheit – Stichwort Kinderbetreuung. Und natürlich auch gegen das System, gegen Korruption. Und der dritte Punkt war einer der wichtigen: Wie man es transportiert. Wir haben es nicht mit einer externen Agentur gemacht, sondern mit einer in-house-Agentur. Die haben natürlich die NEOS-DNA in sich.

Wo habt ihr versucht, die Leute anzusprechen? War das eher Social Media oder eher klassische Nachrichten?

Den größten Erfolg hatten wir natürlich auch mit dem, was ich gemacht habe. Mit den Videos über Social Media. Also mit einem wirklich großartigen, ausgefuchsten System. Wir hatten ein sehr geringes Wahlkampfbudget von 300.000 Euro. Im Vergleich zu den anderen war das ein Mickey-Mouse-Betrag. Und wir mussten natürlich versuchen, über freche Themen hineinzukommen. Es gibt da ein klassisches Beispiel. Ich weiß nicht, ob Sie es gesehen haben, meine “Morgenvideos”, wo ich einmal sozusagen unfrisiert gleich nach dem Aufstehen meine Botschaften losgelassen hab. Das hat sich dann widergespiegelt in den Medien.

Und dann hatten wir großen Erfolg bei den Diskussionen. Auch mit einem anderen und ehrlichen Zugang zur Politik, etwa in der Cannabis-Diskussion. Natürlich haben wir nicht diesen Parteiapparat. Es gab keine Struktur, die ist jetzt erst im Aufbau, was das Land betrifft. In der Stadt gibt es sehr wohl Struktur, aber die konnte nicht Fuß fassen. Wir haben einen sehr geringen Stammwähleranteil. Und wir konnten vor allem durch diese Positionen, die wir eingegangen sind, viele von den Grünwählern herüberziehen. Und das heißt auch, dass Salzburg ein bürgerliches Lager hat. Auch ein grün-bürgerliches Lager. Und vor allem waren es da bei den grünpolitischen Themen Integration, Cannabis und der Umgang mit Chancengleichheit am Land. Kinderbetreuung, öffentlicher Verkehr, öffentliche Infrastruktur. Das waren unsere Themen.

Glauben Sie, dass das Klientel hier in Salzburg größer ist als auf der Bundesebene? Oder haben Sie es einfach nur besser angesprochen?

Wir haben es besser angesprochen.

Die Missachtung des Wählerwillens wurde nach der Regierungsbildung von der FPÖ kritisiert – die Grünen, die relativ viel verloren haben, sind doch in der Regierung. Wie definieren Sie den Wählerwillen und sind solche Begriffe nicht gefährlich?

Das ist ein sehr populistischer Ansatz. Denn dann müsste es immer soweit sein, wenn ich den Wählerwillen respektieren müsste, dass wir auf Jahrzehnte, wenn nicht auf ein halbes Jahrhundert, nur Rot und Schwarz in der Regierung gehabt hätten. Das ist nicht Demokratie. Demokratie ist, dass man vor allem in einer Koalition, wenn man nicht die absolute Mehrheit hat, versucht, mit anderen Parteien eine Mehrheit zu schaffen. Der Wählerwille hat entschieden, dass die ÖVP mit Abstand stimmenstärkste Partei ist. Der Wählerwille hat eine Unzufriedenheit auch bei der SPÖ widergespiegelt und vor allem auch bei den Grünen. Man darf nicht vergessen, dass die Grünen den zweitbesten Erfolg erzielt haben. Das ist auch ein Thema. Und der größte Erfolg basierte auf dem Finanzskandal, weil damals die Astrid Rössler auch diesen Untersuchungsausschuss geliefert oder geleitet hat und das ist eben ein Unterschied.

Im Wahlkampf habe ich immer gesagt, ich werde dort sein, wo ich mehr für das Land Salzburg bewegen kann. Und das kann ich bei weitem mehr als Nationalratsabgeordneter. In den Koalitionsvereinbarungen stand auch drinnen, dass ich nicht Landesrat werde.

Wenn wir dann mal ein bisschen auf die Landesregierung kommen: Ihr seid jetzt Teil davon und in Wohnbau, Kinderbetreuung, Familie, Wissenschaft et cetera tätig. Habt Ihr irgendwelche Schwerpunkte, die ihr setzen wollt? Wollt Ihr irgendetwas anders machen? Vielleicht im Bereich Wohnbau, wo ja Skandale in der Vergangenheit waren.

Ja, primär ist es so, dass es auch im Wahlkampf so war, dass wir in puncto Kinderbetreuung auch eine flächendeckende und flexiblere Kinderbetreuung gefordert haben. Diese wollen wir umsetzen. Salzburg ist das zweitstärkste touristische Bundesland Österreichs und hier braucht es vor allem für Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher auch Möglichkeiten, Kinderbetreuung in Anspruch zu nehmen. Das ist einer der Kernpunkte. Hier haben wir im Regierungsprogramm Pilotprojekte festsetzen können, etwa, dass wir an sieben Tagen Kinderbetreuung haben. Punkt eins. Punkt zwei ist natürlich – und da sind sich alle Parteien einig, wie man günstigen Wohnraum schaffen will. Und zum zweiten ist es auch ein Schwerpunkt, dass wir hier vor allem in der Bauordnung, das ist ja auch Ländersache, günstigeren Wohnbau in Zukunft gewährleisten werden. Und das dritte ist die Transparenz. Dass wir auch transparenter aufführen wollen, dass Gemeinden und Städte vor allem bei den Nebengebühren oder Kanal- und Wassergebühren hier nur mehr diese Beiträge einnehmen dürfen, die sie auch tatsächlich den Bürgern sozusagen zumuten für Wasser und Kanal. Es werden ja dadurch im jetzigen System Überschüsse erzielt, die für andere Zwecke verwendet werden. Und das ist ein fataler Fehler. Darum ist auch wohnen so teuer.

Ein kleiner Schwenk auf die Verhältnismäßigkeit: Die ÖVP ist ziemlich stark durch das Ergebnis gewesen. Ihr seid eher eine kleinere Partei und die Grünen auch. Ist das ein Problem, dass man eigene Themen einbringt?

Nein, das ist kein Problem. Die Resorts sind zugeschnitten und die Resortverantwortungen werden verteilt. Wir können uns in diesen Bereichen einbringen. Eine Koalition ist nur dann stark, wenn alle Partner gleichberechtigt sind und das Gefühl hatten wir, sonst wären wir keine Koalition eingegangen.

In Deutschland gibt es schon viel länger eine liberale Tradition mit der FDP, wo man aber eben gesehen hat, dass das scheitern kann, wenn die Themen nicht stimmen. Glaubt Ihr generell, dass das Potential erschöpft ist, oder habt Ihr noch die Möglichkeit, dass Ihr eine größere liberale Basis ansprechen könnt?

Österreich hat keine liberale Tradition. Wir brauchen aber eine liberale Gesinnung nicht nur im gesellschaftlichen Bild, sondern auch im wirtschaftlichen. Und ich glaube, dass wir hier sehr wohl ein Potential zur Zweistelligkeit haben. In Österreich wird sehr gerne auch immer wieder sehr demagogisch argumentiert, Liberalismus ist gleich Neoliberalismus. Neoliberalismus ist nichts Schlechtes. Nur, wenn ich einen Menschen frage, was ist Neoliberalismus –  erklär es mir in einem Satz – dann kann er es nicht. Das ist in Österreich ein schwieriges Thema, aber ich glaube, das Potential, auch für Bürgerlich-Liberale, für Linksliberale und für Wirtschaftsliberale, hat die Zweistelligkeit schon im Talon.

Matthias Strolz gibt die Parteiführung ab, beziehungsweise hat schon und Beate Meinl-Reisinger übernimmt jetzt. Glauben Sie, dass Sie in die Fußstapfen treten kann, wenn auch in einer anderen Form, da Sie eine andere Persönlichkeit ist?

Ich bin ja auch in der Verantwortung. Ich bin ja Stellvertreter. Man muss vorausschicken, was zu wenig respektiert wird, dass es den NEOS ohne irgendwelche äußerlichen Einflüsse wie Hainburg oder Zwentendorf gelungen ist, eine neue Partei zu gründen und diese auch als Oppositionskraft zu etablieren. Also die Anerkennung wird uns auch von allen anderen Parteien zuteil. Wir arbeiten mit Kompetenz, wir arbeiten auch immer mit einem Lösungsansatz, das heißt, mit einer Konstruktivität im positiven Sinn. Und das ist der Verdienst von Matthias Strolz, der persönlich ins Risiko gegangen ist. Matthias Strolz hat das sieben Jahre aufgebaut und hat dann am Höhepunkt seine Übergabe eingeleitet. Und es wäre ein schlechter Rat, würde man der Beate Meinl-Reisinger oder den NEOS raten, macht das Gleiche weiter wie das der Matthias Strolz gemacht hat. Stattdessen werden wir andere Pfade bestreiten, wir werden andere Wege machen, um ans Ziel zu kommen. Eines muss man ja auch ganz ehrlich sagen und das ist mir auch wichtig; der Matthias Strolz wurde sieben Jahre geschlagen für seinen Stil und wie er dann seinen Rücktritt bekannt gegeben hat, war er auf einmal der Hero und er ist heute der Hero. Aber gleichzeitig sehe ich mehr denn je die große Chance. Zuerst war es zugespitzt auf Matthias Strolz und jetzt kann man es auf mehreren Schultern ausbreiten und hier sozusagen einen Dreizack ins Rennen schicken; mit den zwei Stellvertretern Nikolaus Scherak und mit dem Sepp Schellhorn. Und die Beate Meinl-Reisinger, die auch in der Programmatik was verändern wird.  Also der Satz „Wir sind nicht links, wir sind nicht rechts, sondern vorne.“, hat immer noch Bedeutung. Es wird dann einfach anders gelaufen und gegangen.

Um auf der Bundesebene zu bleiben, nach dem Wegfall der Grünen und nach den Streitigkeiten auch innerhalb der Liste Pilz spielt natürlich NEOS eine weitaus wichtigere Oppositionsrolle. Wie sehen Sie ihre Rolle als Oppositionspartei und wie grenzen Sie sich zu den Regierungsparteien ab? Stichwort: „Beiwagerl“

Die Bundesregierung hat die Möglichkeit, Verfassungsgesetze mit uns umsetzen zu können, also mit der sogenannten Zwei-Drittel-Mehrheit. Punkt zwei ist, dass wir schon seit 2013 in der Programmatik uns beispielsweise immer in der Arbeitszeitenflexibilisierung und Steuersenkung, eingesetzt haben. Da können wir jetzt schlecht dagegen sein, auch wenn es die Regierung, vor allem die ÖVP, vorschlägt. Meiner Ansicht nach hat die Regierung in dieser Hinsicht nur die ÖVP als vorschlagenden Akteur, die FPÖ hat außer in der Raucherthematik dem nichts entgegenzusetzen. Das ist Haltung vor Taktik. Die Generationengerechtigkeit in den Pensionen ist unsicher, wie wir jetzt aus den Medien erfahren. Und wie wir wissen, hält dieser Vertrag oder dieses Versprechen nicht. Aber alle anderen. Hier kopieren sie unsere Themen. Das meine ich mit dieser Konstruktivität.

Mal von der Liste Pilz und der SPÖ abgesehen, wie seht ihr euch in der Rolle als Oppositionspartei. Und wie seht ihr eure Verantwortung auch denen gegenüber, die euch nicht gewählt haben?

Wir haben hier eine große Verantwortung. Die müssen wir auch wahrnehmen in puncto Nachhaltigkeit, in puncto Generationen. Wir haben natürlich auch eine große Verantwortung gegenüber denen, die uns nicht gewählt haben. Wir müssen uns für die Gesellschaft einsetzen. Wir sind hier voll in der Oppositionsrolle. Wir haben Vorschläge geliefert, wie die Klimaziele von Paris umsetzbar sind. Wir brauchen das Verursacherprinzip bei den CO2-Emissionen, ebenso wie eine CO2-Steuer. Dass eben die mehr zahlen müssen, die mehr CO2 ausstoßen.

Unter Sebastian Kurz gibt es viele Reformmaßnahmen, vor allem viele im öffentlichen Bereich. Findet ihr sie richtig?

Das einzige was die Bundesregierung anspricht, sind Asyl und die Schließung der Grenzen. Das ist das einzig konsequente. Seit dem Zeitpunkt ist nichts weitergegangen in puncto der Integration für jene, die hier sind. Es wurde nur mit der Angst gearbeitet. Das sehen wir sehr kritisch wie die Bundesregierung in Europa auftritt. Sie ist gepolt auf Spaltung und nicht auf Zusammenhalt und auch nicht auf Neuausrichtung der Europäischen Union.

Weiter ist es so, dass sie bei den Reformvorschlägen in einer Verschlankung des Staates auch nicht daran denken, weniger Staat mehr Privat. Sie packen einfach die restriktive Keule aus. Hier arbeiten sie auch mit der Angst. Wenn ich betrachte, dass sie außerhalb der Schließung der Westbalkanroute und jetzt der Albanienroute, was gar nichts bringt, weil es bei dieser Route überhaupt keine Nachfrage gibt, nichts geschafft haben. Bei der Abschaffung der kalten Progression, bei meinem Lieblingsthema, dass die Mitarbeiter mehr verdienen sollen, die Arbeitgeber weniger Kosten haben, hier haben sie nichts weitergebracht. Und das in einer Hochkonjunkturphase und in der Niedrigzinsphase. Jetzt stellen wir uns vor, wirtschaftspolitisch würde das Zinsniveau annähernd zu einem normalen Niveau, also zwischen 3,5% und 5% an Verzinsung führen, dann wäre dieser Staat pleite.

Sie unterstützen Lehrlinge, die vor einer Abschiebung stehen, die gerade in einer Ausbildung sind. Wie sehen sie dies im Zusammenhang mit der Abschiebung?

Bundesinnenminister Kickl macht nichts für was er verantwortlich wäre, was er zu tun hätte. Er sollte die Gauner, ob In- oder Ausländer jagen und hinter Gitter bringen. Er sollte Terrorismus bekämpfen. Was macht er? Er verunsichert den BVT und er holt sich jene ab, wo er weiß wo sie arbeiten. Das sind die Lehrlinge, das sind die unbegleiteten Minderjährigen, die einen festen Wohnsitz haben. Das ist ein fatales Zeichen. Wir in Europa und in Österreich brauchen Zuzug. Wir haben einen enormen Fachkräftemangel auf allen Ebenen, nicht nur im Tourismus. Wir sollten jene integrieren, die bereits in diesem Land sind. Ich wurde ich ja auch vom Landeshauptmann mit dem Projekt 3+2 beauftragt. Lehrlinge, die subsidiären Schutz haben oder im Asylstatus sind, sollten einen fixen und sicheren Arbeitsplatz haben, wenn sie einen Arbeitgeber finden. Die Formel bedeutet 3 Jahre Lehre plus 2 Jahre arbeiten und danach sollte neu über den Asylstatus verhandelt werden. Wir haben alleine im Pongau über 300 offene Lehrstellen in allen Bereichen und nur 23 Suchende. Das ist fatal. Wir brauchen hier ein anderes Bildungssystem. Wir sollten den jungen Menschen zum 17. Lebensjahr Mittlere Reife, in Deutschland gibt es diese, eine schulische Ausbildung garantieren. Was wir jetzt haben ist noch der Schulzyklus zu Maria Theresia Zeiten. Heute mutet man 14-jährigen zu, sich zwischen Lehre und Matura zu entscheiden. 99% der Eltern sagen, dass ihre Kinder die Matura machen sollen. Und sie wollen nicht, dass sie ein ‚verschissenes’ Jahr machen im polytechnischen Lehrgang. Ich glaube auch, dass eine Kombination aus Lehre nach der Mittleren Reife mit Matura am besten wäre.

Im Hinblick auf Migration und Lehrlinge, die sich hier integrieren wollen: Sehen sie hier einen Unterschied zwischen der Bundes-ÖVP und den Länder-ÖVPs? Und wenn man hier auch Lehrlinge aufnehmen will, die bereit sind sich zu integrieren, dann ist diese Frage auch sehr stark mit der Integrationsfrage verbunden. Was sind hier die Rezepte von NEOS?

Zum einen ist es so, dass der Landeshauptmann Haslauer auf Druck auch meinerseits und der NEOS sich schon konträr der Bundesregierung einsetzt. Denn hier hat er den Druck aus der Wirtschaft.

Ich habe gerade heute Vormittag ein Gespräch mit einem afghanischen Flüchtling gehabt, der in Wien ist. Dieser ist 2014 nach Österreich gekommen, hat nun die HTL Aufnahmeprüfung geschafft, spricht fließend Deutsch und macht daneben eine Lehre und wird jetzt abgeschoben. Nebenbei hat er sich sieben oder acht Monate bei der Caritas für soziale Projekte eingesetzt. Bundesinnenminister Kickl und die FPÖ wollen hier die starke Hand sein und machen hier nur Klientelpolitik. Das sind fatale Zeichen. Hier müssen andere Rahmenbedingungen geschaffen werden damit diese jungen Menschen auch dieses Angebot nutzen können. Das ist ganz wichtig. Aber hier ist leider kein Interesse von Seiten der Politik, der regierenden Parteien.

Bundeskanzler Kurz ist hier ein Beispiel für ein hohes Potenzial an Feigheit, weil er dies einfach duldet, nur um den eigenen Machterhalt. Er erkennt aber die Sorgen und Ängste der Wirtschaft, die aber auf der anderen Seite ganz anders auftreten. Sie haben andere Bedürfnisse.

NEOS möchte eine gesellschaftliche Öffnung Richtung Europa. Glauben sie, dass auch die Bevölkerung in Österreich dafür bereit ist? Oder kann die pro-europäische Ausrichtung NEOS vielleicht sogar schaden?

Bei der damaligen Volksabstimmung um den Beitritt zur EU war der Anteil der PRO-Wähler eine der höchsten in Europa. Mittlerweile ist diese Bereitschaft sehr gesunken, weil es die politischen Entwicklungen gezeigt haben – ganz abgesehen von den Fehlern, die in Brüssel gemacht werden – vor allem in bürokratischer Hinsicht. Am Ende des Tages ist es immer noch ein Friedensprojekt. Österreich ist eines der größten Profiteure von Europa, trotzdem arbeitet die Regierung nach wie vor mit der Angst. Das hat auch mit der Wohlstandsentwicklung etwas zu tun. Es gibt die Angst, etwas zu verlieren. Es gibt auch die Angst der Verdrängung. Angst ist ein politisches Instrument, mit dem man auf Wählerstimmenfang geht. NEOS hat hier als einzige Partei eine wirkliche pro-europäische Haltung. Die FPÖ und die SPÖ wollen die Freizügigkeit einschränken, die ÖVP befindet sich derzeit in der Achse Seehofer-Orban-Salvini. Kurz will hier mitspielen. Seehofer-Orban-Salvini heißt in der Abkürzung auch noch SOS. Diese Strömung der Nationalisten ist eine gefährliche Entwicklung.

Wir als NEOS glauben, dass wir nicht mit diesem Thema verlieren. Wir glauben, dass wenn wir dieses Positive herausheben und wenn es den jungen Menschen bewusst ist was es bedeutet bei Europa zu sein, welche Freiheiten man hat, welche Vorteile auch ein Handelsabkommen hat – welches Wachstum garantiert, dann können wir auch eine ganz andere europäische Haltung gewinnen. Das ist ein ganz wichtiges Instrument und das obliegt unserer Verantwortung, das hier zu transportieren. Aber es wäre ein ganz schlechtes Zeichen unter dem Sprichwort „zu Tode gefürchtet ist auch schon bald gestorben“, wenn wir uns jetzt davor fürchten und abrücken würden.

durchgeführt von: Konstantin Ghazaryan und Alexander Speierle-Vidali

Wir bedanken uns bei Sepp Schellhorn für das Gespräch.

Konstantin Ghazaryan
Neben seiner Mitwirkung an der Interviewführung und -ausarbeitung, verfasst der Political Science MA-Absolvent vor allem Analysen und Kommentare für die Bereiche der internationalen und europäischen Politik. Die Bereiche Sicherheitspolitik, Allianzen und Diplomatie gehören zu seinen Schwerpunkten.

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