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Sui generis – so wird das Gebilde der Europäischen Union aufgrund der untypischen Form bezeichnet. Aus dem Lateinischen abgeleitet bedeutet der Begriff soviel wie „eigene Art“ und beschreibt aus Sicht vieler Experten das untypische Konstrukt der Europäischen Union. Worin man sich aber einig sein kann, ist: Als Staatenverbund oder Gebilde sui generis demokratischer Einzelstaaten hebt sich die Europäische Union von allen anderen Staatenverbünden der Geschichte hervor.

Seit der Gründung der Vorgängerorganisation 1951 ist die Union Garant für den innereuropäischen Frieden, nicht zuletzt zwischen den historischen Rivalen Deutschland und Frankreich. Der europäische Zusammenschluss hat nicht nur wirtschaftliche Vorteile für einzelne Staaten gebracht, sondern auch dazu geführt, dass der Kontinent – in großen Teilen – seit dem Zweiten Weltkrieg faktisch kriegsfrei ist. Die ehemals reine Zoll- und Wirtschaftsunion entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Konstrukt mit einer weiten Palette an Politikfeldern weiter. Die Osterweiterung der EU öffnet der Gemeinschaft neue Türen und stellte sie vor neuen Herausforderungen. Die Integration der EU, die für einige zu weit geht und für andere zu wenig ist, wird seit der Gründung kritisiert.

Die mittlerweile 27 Mitglieder starke Union hat als globaler Player auf dem internationalen Parkett zwar Gewicht, die Interessensdifferenzen zwischen den Einzelstaaten machen die EU aber in einigen Fragen, wie etwa der Flüchtlingskrise, weniger handlungsfähig.

Dem Argument eines geeinten, starken Europas steht der Verlust der Souveränität der Einzelstaaten gegenüber. Während ein Teil der in der EU lebenden Bürger sich der europäischen Identität zugehörig fühlt, gibt es auch die Angst, die eigene nationale Identität zu verlieren. Vor allem nach dem Brexit und dem Erstarken rechtspopulistischer Parteien, befindet sich die EU in einer Identitätskrise. In einem wandelnden Europa, in der die Sozialdemokraten und die Konservativen im Durchschnitt schwächer werden, treten neue Ideen in den Vordergrund.

Während einige Parteien sich für den gegenwärtigen Status aussprechen, sprechen sich andere Parteien für weitgehende Reformen oder gar die Auflösung der EU aus. Die Rechtspopulisten orten verstärkt eine Zentralisierung der EU und den Verlust der Souveränität der Einzelstaaten. Liberale sprechen sich für die Vereinigten Staaten von Europa aus und fordern eine europäische Armee, und den Wegfall der Grenzen. Die Konservativen präferieren die Stärkung des Subsidiaritätsprinzips und die Sozialdemokraten fordern eine sozialere Union. In einer globalisierten Welt stehen Einzelstaaten und die gesamte Union vor neuen Herausforderungen. Wie weit und vor allem in welche Richtung soll sich die EU bewegen? Quo vadis, EU?

Konstantin Ghazaryan
Neben seiner Mitwirkung an der Interviewführung und -ausarbeitung, verfasst der Political Science MA-Absolvent vor allem Analysen und Kommentare für die Bereiche der internationalen und europäischen Politik. Die Bereiche Sicherheitspolitik, Allianzen und Diplomatie gehören zu seinen Schwerpunkten.

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