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Trump ist vor allem in seiner Kommunikation auffallend. Durch die Banalisierung der Sprache, durch eine gewisse Faktenresistenz – etwa bei seinen Tweets – aber auch durch ständige Richtungsänderungen. All diese Dinge waren in dieser Dimension vor einigen Jahren noch undenkbar. Nichtsdestotrotz hat Trump vergleichsweise stabile Umfragewerte. Wie kann man sich das erklären?

Die Stabilität der Umfragewerte ist ganz einfach zu erklären. Trumps hohe Werte sind auch seine tiefen Werte – das ist ein Anzeichen einer stabilen Wählerbasis. Die hat er und die motiviert er. Je nachdem, wie er sie letztendlich motiviert, gehen diese zur Wahl – oder nicht. Das sind immer so zwischen 25 und 35 Prozent.

Aus diesem Grund versucht er auch, die Gegner zu demotivieren. Je weniger seiner Gegner hingehen, desto stärker ist seine Basis relativ zu derer von Biden. Die eingeschworenen Trumpwähler hat er unabhängig seiner Kommunikation. Deren Wahlentscheidung ist schon vor langer Zeit gefallen. Die werden ihre Meinung kaum ändern.

Jene, die eine radikale Veränderung des Systems möchten, denen garantiert Trump eine Chance auf Veränderung. Denn Trump inszeniert und präsentiert sich als Gegner des Systems. Die lesen auch seine Sprache ganz anders und verstehen sie anders. Aber das sind unbedingt Republikaner, sondern eingeschworene Trumpwähler, die ihn auch wollen.

Die Sprache Trumps ist die Sprache eines Populisten und Fanatikers. Aber man muss auch sagen, dass Trump ein sehr erfolgreicher Entertainer mit einer populären Fernsehshow war. Er hat gelernt, die Dinge entsprechend zu dramatisieren. Er macht das geschickt wie in einer Reality TV-Show. Wenn er sagt, am Tag XY würde etwas präsentiert werden, imitiert er im Prinzip einen Cliffhanger aus solchen Shows. Und irgendwann kommt dann der Tweet.

Die Sprache Trumps ist die Sprache eines Populisten und Fanatikers. Aber man muss auch sagen, dass Trump ein sehr erfolgreicher Entertainer mit einer populären Fernsehshow war. Er hat gelernt, die Dinge entsprechend zu dramatisieren. Er macht das geschickt wie in einer Reality TV-Show.

Er könnte es auch gleich sagen, aber es wird bewusst auf eine Weise choreographiert wie in diesen Shows. Er hat auch andere Techniken. Wenn er unter Druck ist, wird die Szene gewechselt. Plötzlich wird ein anderes Thema vorgeschickt und die Leute sind dann abgelenkt. Oder dieses Gespräch mit sich. Man ist sich nicht sicher, was meint er jetzt wirklich. Dann sagt er was, zieht es aber wieder zurück. Und dann sagt er etwas ähnlich. Dieses Zuspitzen und die Personalisierung – etwa der Konflikt zwischen Amerika und Deutschland. Die Themen werden personalisiert, in dem Fall auf Angela Merkel. All das sind Griffe in die Unterhaltungstrickkiste und das macht die Dinge für seine Anhänger spannend. Er ist kurzweilig, Auftritte mit ihm sind spannend und haben immer einen Unterhaltungswert. Er ist sich der medialen Aufmerksamkeit sicher.

Da es immer um ihn geht, können andere nur reagieren, denn er gibt die Aktion vor. Interessant war deshalb, dass bei den beiden Paralleldiskussionen Biden höhere Einschaltquoten hatte als Trump. Denn eigentlich konnte sich Trump immer den hohen Quoten sicher sein und das ist ein kostenloser Werbeeffekt. Die Menschen sehen oft nur Trump und nehmen nur ihn wahr und sind dann letztlich von ihm überzeugt.

Aber es ist dieser Entertainmentaspekt, der zur populistischen Rhetorik noch hinzukommt. Er macht das meisterlich. Auch seine Sprache ist so prägnant, dass sie die wichtigsten Dinge immer wiederholt und er sich eines Wortschatzes bedient, der für alle verständlich ist.

Dieser Kommunikationsstil hat auch eine Regelmäßigkeit bei ihm. Müsste diese Regelmäßigkeit nicht eigentlich einen normalisierenden Effekt haben, sodass das die Einstellung nicht mehr beeinflusst? Weil es eben immer vorkommt.

Ich glaube, genau das ist der Punkt. Es kommen keine neuen Wähler zu Trump hinzu, sondern es werden immer dieselben Wähler mobilisiert. Trump war bis jetzt immer in der Lage, seine Befürworter stärker zu mobilisieren als die Gegner ihre. Die Gegner haben nur gemeinsam, dass sie gegen Trump sind. Aber sie sind nicht unbedingt für eine Alternative. Das ist Problem ist, es müssen sich quasi Moderate und Linke und Linkspopulisten und Nicht-Trump-Republikaner alle auf Joe Biden einigen. Die mögen sich schon auf ihn einigen, weil er eben die einzige Alternative ist. Aber, ob die auch zur Wahl gehen, oder Regenwetter, lange Warteschlangen und Covid als Ausrede nehmen, ist entscheidend.

Trump war bis jetzt immer in der Lage, seine Befürworter stärker zu mobilisieren als die Gegner ihre. Die Gegner haben nur gemeinsam, dass sie gegen Trump sind. Aber sie sind nicht unbedingt für eine Alternative.

Währenddessen sind viele Trump-Wähler von ihm elektrisiert und isoliert von anderen Informationen. Die agieren immer in diesem Ökosystem der Trumpschen Medienwelt.

2016 hat Trump ja immer wieder „drain the swamp“ wiederholt – quasi zu versuchen, hier Ordnung reinzubringen. Aber wenn man sich seine Sittenwirtschaft und seine Geschäftsverwicklungen anschaut, die er von seiner Vorregierungszeit mitgenommen hat, dann scheint ihm das nicht wirklich zu schaden.

Trump tritt jetzt auch wieder als Außenseiter an. Aber seine Message ist zu sagen, wählt mich, damit es nicht so wird, wie es jetzt ist. Das ist sehr absurd. Er kritisiert Fauci, er kritisiert das CDC, kritisiert seine eigene Regierung und misstraut dem FBI. Genau das ist seine Strategie. Viele Wähler vertrauen ihm. Die fürchten auch die Conspiracy Theories, dieses QAnon. Also, dass es dieses „Deep State“ gibt. Natürlich sind das dann für seine Wähler alles Fake News. Die Kritikpunkte an Trump, auch die Verurteilungen. Das ist ein Staat, der sich wehrt. Er sagt das so schön: Sie seien gegen ihn, weil er ihnen im Weg sei, und die wollen auch euch an den Kragen. Mit „Sie“ bezeichnet er einen amorphen, abstrakten Staat. Die Vorurteilungen sind eine Verschwörung, die gegen ihn läuft, bis hin zum Impeachment damals und hin zum FBI. Ein eher liberal linker Staat soll hier auf die Trumpsche Vertrauensseite losgehen. Das ist ein Teil eines üblen Spiels. Er inszeniert sich als Opfer und das ist sehr erfolgreich bei seiner Basis.

Sie haben bereits angesprochen, dass die Amtsführung Donald Trumps durch Ablehnung wissenschaftlicher Erkenntnisse gekennzeichnet ist. Auch Erkenntnisse, die durchaus anerkannt sind, etwa der menschengemachte Klimawandel. Daneben erleben die Verschwörungstheorien eine Hochsaison. Die werden auch gefüttert und die Mainstreamnarrative verschieben sich dadurch. Handelt es sich hierbei um eine Strategie, oder gibt es einen anderen Grund, wieso Trump sich gegen diese wissenschaftliche Elite auflehnt?

Der Populismus geht ja davon aus, dass man die kleinen Leute vor einer üblen Elite schützen muss. Das impliziert, dass die kleinen Leute ein Bauchgefühl haben, dass einem sagt, was richtig und was falsch ist. Wenn jetzt die Expertenmeinung mit deren Bauchgefühl nicht übereinstimmt, sind nicht die kleinen Leute Schuld, sondern die Experten.

Wenn die kleinen Leute mit dem Maskentragen in Ruhe gelassen werden wollen, weil es ihnen auf die Nerven geht, und der Oberepidemiologe Fauci sagt, sie sollen Masken tragen, dann ist der Fauci Schuld und wird kritisiert. Im Populismus hat das Volk und das Bauchgefühl immer Recht.

In dem Ausmaß, wie die ExpertInnen Trump selber kritisieren, kommt oft das persönliche politische Moment dazu, dass die Kritiker sofort verdächtig sind. Ob das Ideologie oder Kalkül und Strategie ist, kann nur Donald Trump sagen. Von meinem Gefühl her ist sicher sehr viel Strategie dabei. Aber auch bei älteren Leuten stabilisiert sich das viel mehr. Ich glaube, dass viel bei ihm instinktiv vorhanden ist. Sozusagen der Onkel mit den festgefahrenen Beinen beim Familientreffen, der immer dieselbe Platte auflegt und kaum in der Lage ist, die Dinge anders zu sehen.

Dadurch, dass er ja auch Fox News und immer wieder dieselben Medien bezieht, ist es für mich ein Hinweis darauf, dass es nicht nur Kalkül ist, sondern auch aus ihm selbst kommt. Das war schon immer stärker der Fall. Geht man zurück in die 2000er Jahre, da hat er Präsident Obama vorgeworfen, dass er in Afrika geboren wurde. Diese Dinge machst du nicht, wenn du nicht zu einem gewissen Grad daran glaubst. Das war schon in einer Zeit, noch bevor er sich für die Präsidentschaft beworben hat. Da ist sicherlich innerliche Überzeugung dabei.

Der Supreme Court hat sich unter Trump durch den Abgang mehrerer Richter verändert. Trump kann mittlerweile mit Amy Coney Barrett die dritte Höchstrichterin nominieren. Man wird versuchen, dies mit aller Macht durchzubringen. Diese Entscheidung betrifft ja nicht nur die Zeit jetzt, sondern wird die nächsten Jahrzehnte prägen. Was bedeutet ein derartiger Wandel für die US-Gesellschaft und die insbesondere betroffenen Gesellschaftsschichten, etwa bezüglich Abtreibungsrechte und der gleichgeschlechtlichen Ehe?

Ich gehe davon aus, dass der Druck für die Demokraten extrem groß sein wird, noch mehr Richter zu benennen. Die Agenda wird immer länger. William Barr hat das sehr schön gesagt, er habe nicht vor, jetzt die Colts zu ziehen, aber wenn es notwendig sein sollte, würde er einem Rebalancing nicht im Wege stehen. Die Verfassung begrenzt nicht die Anzahl der Höchstrichter, und man kann sich durchaus vorstellen, dass der Gerichtshof erweitert wird. Das würde aber auch zu einem Megagau führen und das Land weiter spalten.

Ich gehe davon aus, dass der Druck für die Demokraten extrem groß sein wird, noch mehr Richter zu benennen.

Aber ich glaube, die Demokraten sind momentan so sauer und haben eine derart lange Agenda an aufgestauten Frustrationen. Die Linke ist viel stärker bei den Demokraten als sie jemals war. Deshalb wird es wahrscheinlich, schwierig, sich dem ganz zu entziehen; die drohen auch ganz offen damit.

Donald Trump hat die außenpolitische Ausrichtung zwar nicht konsequent geändert, aber er hat die USA etwa noch viel stärker zurückgezogen. Wie würde Ihrer Meinung nach die Außenpolitik nach einer Wiederwahl in punkto Russland oder China aussehen? Und glauben Sie, sollten die Demokraten gewinnen, würde es zu einer neuerlichen Richtungsänderung kommen?

Die Wahl ist extrem richtungsweisend. Biden wird außenpolitisch auch das Klima angehen. Eine Rückkehr in eine Art amerikanische Führungsmacht und globaler Zusammenarbeit. Entwicklungsziele, Stärkung der westlichen Werte.

Bei Trump ist das Gegenteil zu erwarten. Seine Bewunderung für autoritäre Mächte ist durchaus bekannt; von Saudi-Arabien bis Erdogan. Der Konflikt mit China wird wahrscheinlich in beiden Fällen relevant sein. Wobei mit Biden eher weniger Konflikt mit China zu erwarten ist; oder vielleicht unterschätzt China Biden auch und es wird aggressiver werden.

Bei Trump ist mehr Säbelrasseln gegenüber China zu erwarten. Dann gibt es noch die Spaltung Europas; der Versuch quasi, mit einer Koalition der Billigen – Großbritannien, Polen und anderen pro-amerikanischen Staaten – Westeuropa zu isolieren. Spannungen wird es eher mit Deutschland und Frankreich geben, militärisch weniger, aber politisch. Trump wird versuchen Europa zu schwächen. Aber all das sind Dinge, die die Welt und das Bündesystem in eine neue Lage bringen würden.

Glauben Sie, dass die Amtsauslegung von Trump und dessen Bruch mit Sprache, mit Kommunikation, Spuren hinterlassen wird? Oder, sollte Biden gewinnen, das als Trump-Ära abgetan wird und Präsidentschaften wieder wie vorher sein werden?

Schwer zu sagen. Wenn Trump gewinnt, wird das einfach ein neues Modell werden. Wenn Biden gewinnt, hängt es davon ab, wie deutlich der Sieg ist. Wird es einen deutlichen Verlust für die Republikaner geben, werden viele aus der Partei sagen, man hätte das kommen sehen müssen. Denn der demographische Wandel ist nicht aufzuhalten und die wollen nicht die Partei der alten weißen Männer einer weißen Minderheit sein. Man müsste sich also breiter aufstellen, um wieder Oberwasser zu gewinnen.

Es kann aber auch sein, dass die versuchen, die Trump-Agenda zu nehmen und diese für eine breitere Gruppe schmackhafter machen. Vielleicht gibt es eine andere Führungsperson, die das machen kann. Oder wir gehen zurück in eine Zeit, in der es bestimmte politische Themen gibt – von Klima bis anderen – und es eine eher neoliberalere oder demokratischere Antwort geben wird. Also ein Konsens über die politischen Probleme, aber mit unterschiedlichen Positionierungen. Ein klassisches Links-Rechts. Das hängt von der Stärke des Verlustes beziehungsweise Gewinns ab.

Die permanente Veränderung ist für mich nicht so gegeben, weil vieles an der Person Trumps hängt. Es ist nicht so klar, ob diese Formel dann weiterverwendet wird. Sieht man sich andere Rechtspopulisten an, sieht man, dass die Parteien schon weiterbestehen, aber sie haben sich meist verändert. In Österreich etwa der Unterschied unter und zwischen Strache und Haider. Man merkt, dass viel an der Person dranhängt. Das ist keine Formel, die man einfach immer wieder abrufen kann.

Wir bedanken uns bei Reinhard Heinisch für das Gespräch.

durchgeführt von Alexander Speierle-Vidali & Konstantin Ghazaryan

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