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Willkommen zurück, Frau Rössler! Nach dem Rückzug jetzt für ein paar Jahre, sehen Sie eine Veränderung der politischen Bühne?

Nicht so sehr auf Landesebene. Es war ja in Wahrheit nur ein Jahr, und das war dann doch nicht so ruhig, wie ich gedacht hatte. Auf landespolitischer Ebene haben sich natürlich die Mehrheitsverhältnisse geändert, aber auf bundespolitischer Ebene waren die letzten zwei Jahre schon eine sehr bewegte Zeit und aus grüner Sicht sehr betrüblich. Das Thema Umwelt wurde 2017 abgewählt, und dann musste man zusehen, was sich alles verändert, was gesetzlich und von der Stimmungslage gegen den Umweltschutz auf Bundesebene los war. Das war schon schwer auszuhalten.

Finden Sie rückblickend, dass Ihr Rücktritt richtig war?

Ja. Er wurde von vielen bedauert, aber wenn die Hälfte der Stimmen verloren geht, dann muss ich das als eine starke Reaktion auf die Themen und die Politik unter meiner Führung als Landessprecherin und Leiterin des Regierungsteams sehen. Da konnte ich nicht so tun, als wäre nichts gewesen. Dafür muss einer die Verantwortung übernehmen, das muss jemand sozusagen „vom Spielfeld räumen“, damit die restliche Mannschaft gut weiterspielen kann. Das war mir wichtig.

Sie haben es bereits angesprochen, wenn man sich jetzt die letzten zwei, drei Jahre anschaut, dann haben die Grünen eine Achterbahnfahrt durchlebt. Man hat erstmalig seit 2017 einige Verluste eingefahren. Auf Bundesebene hat man mit Alexander van der Bellens Wahl zum Bundespräsidenten – zwar ein unabhängiger Kandidat, aber mit grünem Background – ein Hoch erfahren, dieses aber nicht nutzen können. Oder wie erklären Sie sich die nachfolgenden Rückschläge mit dem Höhepunkt des Ausscheidens aus dem Parlament?

Es war eine Mischung aus verschiedenen Faktoren, die dann zu diesem wirklich schmerzhaften Ergebnis von 2017 geführt haben. Der Präsidentschaftswahlkampf, der ja viel länger als geplant gedauert hat, hat uns sehr stark gefordert. Nach dem dritten Wahlkampf waren alle schon ziemlich ausgepowert. Das belastet ein Team, das in anderen Themen dann nicht so präsent ist. Aber ich will auch nicht verhehlen, dass wir als Grüne Fehlentwicklungen nicht erkannt oder darauf wir nicht richtig reagiert haben. Der Bruch mit den Jungen Grünen hat uns sehr geschmerzt und geschadet. Uns wurde vorgeworfen, dass wir das nicht richtig gemanagt hätten. Dann war natürlich 2015 mit den Flüchtlingen in Österreich eine ganz neue Konstellation, die Ängste und Sorgen aufgeworfen hat, und die die politische Lage sehr verändert haben. Diese Gemengelage hat die Stimmung verändert und auch dazu geführt, dass wir manche Dinge übersehen haben, rückblickend betrachtet.

Wie erklären Sie sich dann nachfolgend den Aufschwung, den man jetzt nicht nur österreichweit, sondern europaweit erlebt. Vor allem, wenn man nach Deutschland schaut, dann belegen die Grünen dort laut Meinungsumfragen den ersten Platz, noch vor der CDU. Liegt es nur am Thema, oder sind es doch auch die Persönlichkeiten und die aktuellen Umstände?

Auch hier sind es mehrere Faktoren. Die deutschen Grünen haben sehr geschickt die Öffnung und das Verbindende in der Parteienlandschaft genützt. Kretschmann repräsentiert als Ministerpräsident eine kluge Mischung. Und die deutschen Grünen haben Ihre Themen gut gewählt, wie das Thema Artenschwund und Bienensterben – diese deutsche Initiative und die Mobilisierung waren einzigartig. Da sind sicher einige Themen in der Bevölkerung gut gespürt und aufgenommen worden. In Österreich haben es viele nicht für möglich gehalten, dass man diese vier Prozent nicht erreicht und rausfliegt, und haben es dann auch bedauert und gesagt, ihr fehlt. Diese Stimme der Grünen, die sich für bestimmte Dinge einfach immer ins Zeug legen, das geht ab in der politischen Debatte. Darum wollen auch viele, dass die Grünen wieder zurück ins Parlament kommen.

Vor allem, weil die Liste Pilz diese Lücke nicht füllen konnte?

Das auch. Da gab es ja auch Turbulenzen. Manches erklärt sich im Rückblick von selbst. Man muss aber auch mit den eigenen Fehlern und Misserfolgen umgehen lernen. Da gibt es diesen schönen Spruch ‘The broken crayon still colors‘. Das ist ein Bild, das einen auch motiviert.

Wir haben ja auch einige Punkte bezüglich des personellen Hintergrundes genannt. Glauben Sie, dass es ein Fehler war, dass so viele Führungspersönlichkeiten zurückgetreten sind? Nicht nur bei den Grünen in Salzburg, sondern auch auf Bundesebene.

Das waren in der Abfolge einfach schwierige Umstände. Der Abtritt von Eva Glawischnig, ein halbes Jahr vor der Wahl, war extrem schwierig, das lässt sich auch nicht über Nacht mit einer Person ersetzen. Ingrid Felipe hat beste Voraussetzungen für eine Führungsposition, aber sie war Landeshauptmann-Stellvertreterin in Tirol und sie konnte nicht beides machen. Die Konstellation der Doppelspitze mit Ingrid Felipe und Ulrike Lunacek war schwierig und sie hat leider nicht funktioniert. Jetzt sind wir, glaube ich, mit Werner Kogler in den richtigen Startbedingungen. Er hat vollkommen unumstritten und klar die Aufbauarbeit geleistet und trägt überzeugend die Grüne Idee weiter. So ein Spitzenkandidat mit Erfahrung, der sich auch in den Neuaufbau so hineingelegt hat, das war perfekt, ein Glücksfall.

Wenn man jetzt schaut, speziell in diesem Wahlkampf sind viele Themen der Grünen im Mainstream angekommen. Es gibt sogar die FPÖ, die mittlerweile – zwar auf sehr interessante Art und Weise – über Klimathemen spricht. Haben Sie damit nicht mehr oder weniger Ihr Hauptziel erreicht?

Also wer ein wenig die politischen Aussagen und auch die Realität vergleicht, sieht, dass hinter manchen Plakaten nicht der Inhalt, auch nicht die Expertise und schon gar nicht der Umsetzungswille steht. Das ist eben das generelle Thema in der Politik: Dinge, die zwar in diesem Moment in aller Munde sind, dann auch umzusetzen, selbst wenn es nicht nur Wohlfühlthemen sind. Da sind wir als Grüne glaubwürdig. Das Thema Klimaschutz werden wir sicher nicht mit Innovation und Wasserstoff lösen. Wir werden beides brauchen, aber der Einstieg muss anderswo herkommen. Das alles wird keine einfache Hebeübung werden. Gerade die jungen Menschen und großen Initiativen wie ‚Fridays for Future‘ oder ‚Parents for Future‘ sind alle sehr ungeduldig. Die haben genug von den Phrasen und der PR-Maschinerie. Sie wollen Taten sehen. Das Wort Systemwechsel muss schon auch in den Mund genommen werden. Es braucht tiefgreifende Veränderungen.

Damit kommen wir auch schon zum nächsten Thema: Was sind Ihre persönlichen Anliegen für die kommende Wahl?

Es gibt nur ein Ziel und das heißt, die Grünen wieder ins Parlament zu bringen. Entgegen allen guten Umfragen und Trends bin ich voller Demut und sage, wir müssen es erstmal schaffen, das Ergebnis auch am Wahltag zu liefern. Mein persönliches Ziel ist, dass wir in den kommenden Wochen das Vertrauen für eine glaubwürdige und gute Klimapolitik bekommen. Das Thema ist ja nur ein Indikator dafür, dass wir in mehreren Bereichen an der Systemgrenze anstehen. Der Temperaturanstieg ist ja nur ein Teil davon. Wir verwenden die falschen Energieressourcen und viel zu viel. Unser Lebensstil überstrapaziert die Ressourcen. Wenn man dann hört, das ist der wärmste August oder auch einer der wärmsten Sommer seit Aufzeichnungsbeginn, das sind Indikatoren dafür, dass wir weit über der Belastungsgrenze hinaus sind. Man kann Klimaschutz nicht nur als Teil des Umweltressorts sehen, es gehört auch ganz stark in das Wirtschaftsresort, in den Tourismus. Und es ist auch ein soziales Thema. Der eine kann sich den Pool im Garten und die Klimaanlage im Haus leisten, aber was ist mit schlecht gedämmten Wohnungen, in denen du schlecht schlafen kannst, weil es so heiß ist, und dann vielleicht noch wenig Platz ist und die laute Straße vorbeiführt … das wird uns von der sozialen Verantwortung her sehr fordern. Nicht nur die Privilegierten sollen den Klimawandel überstehen, sondern wirklich alle. Dazu gehören auch die Ernährung und der ökologische Fußabdruck. Was jetzt in Brasiliens Regenwäldern passiert, macht mich wirklich wütend. Das sind keine Kleinigkeiten. Das heißt für mich auch, Österreich, als eines der wohlhabendsten Länder überhaupt, muss aus seinem Schneckenhaus heraus und Verantwortung übernehmen. Nicht so zu tun, als wäre alles nur im eigenen Garten zu richten und wir hätten keine Mitverantwortung für das, was in anderen Ländern passiert.

Sie haben es bereits angeschnitten, es gibt mit der EU zusammen, auch durch die Mitwirkung Österreichs, sehr strikte Klimaziele, wenn man sie wörtlich nimmt. Von der österreichischen Regierung merkt man aber nicht wirklich, wie man versucht, diese zu erreichen. Wie kann man diese Ziele erreichen, wenn man sie ernst nimmt?

Die Expertenpapiere liegen ja alle schon längst vor. Und ich finde es extrem schade, dass schon die bisherigen Regierungen den guten Vorschlägen eines Umweltbundesamtes und dergleichen nicht gefolgt sind. Diese Programme vergammeln irgendwo in den Schubladen. Ich bin vor kurzem auf den „Sachstandsbericht Mobilität“ aus 2018 gestoßen, vom früheren Bundesminister Hofer in Auftrag gegeben, vom österreichischen Umweltbundesamt UBA ausgearbeitet, also wirklich Expertise mit vielen Maßnahmen, die auf ihre Wirksamkeit, den Hebel und auf soziale Verträglichkeit abgeklopft wurden. Ein tolles Papier, mit dem man sofort arbeiten könnte. Ich habe aber nie etwas davon gehört, weil natürlich auch Dinge drinstehen, die in der Umsetzung nicht nur lustig sind. Man muss sich überlegen, wie man die Mobilität insgesamt umbauen kann. Ein ‚Geht`s mehr zu Fuß‘ wird nicht reichen. Es wird eine Vielzahl an Maßnahmen brauchen, von der besseren Infrastruktur für öffentlichen Verkehr bis zum Jobticket und zu Parkraumbewirtschaftung, das geht quer durch. Es ist schade, dass da so viel Zeit vergangen ist. Die letzten Regierungen, die letzten Umweltminister/-innen, diese Mischung der hauptverantwortlichen Ressorts in Verbund mit den anderen, haben nicht den Willen gezeigt, diese Ziele umsetzen zu wollen. Da braucht es konkrete Maßnahmen und die musst du abarbeiten wie eine Checkliste.

Wenn man den Blick auf Salzburg richtet, was kann man in der Klimafrage in Salzburg konkret tun? Und was wurde schon gemacht?

Also das erste im Jahr 2013 war, dass wir Klimaschutz schon im Regierungsprogramm zum ressortübergreifenden Thema erklärt haben. Dann, dass dieser Klima- und Energieplan geschrieben wurde, wo auch Maßnahmen für das Land und den Bund festgelegt sind. Da wurden die einzelnen Dinge dann schon sehr konkret angegangen und es ist einiges gelungen; auch Dinge, mit denen man anfangs nicht gerechnet hat. Zum Beispiel haben wir diese Klimapartnerschaften mit großen Institutionen wie der Universität, Haus der Natur und den Salzburger Landeskliniken geschlossen. Die Landeskliniken etwa haben einen hohen Energiebedarf und ständig Baumaßnahmen, hier lassen sich viele klimarelevante Verbesserungen austüfteln. Dann noch viele einzelne Betriebe. Es war sehr motivierend zu sehen, dass in Wahrheit viele Betriebe bereit sind, sich dem Thema zu stellen, wenn man sie unterstützt. Dazu sind Vereinbarungen geschlossen worden, manchmal finanziell, manchmal auch mit Beratungsleistungen, mit man-power. In der Umsetzung ist viel mehr gelungen als erwartet und es war schön zu sehen, wie die Betriebe darauf richtiggehend angesprungen sind.

In Wien und in sehr vielen Bundesländern Westösterreichs wirken die Grünen als Koalitionspartner mit. Man sieht hier, dass eine Zusammenarbeit, beispielsweise mit der ÖVP, sehr gut funktioniert. Glauben Sie, dass eine Koalition zwischen den Grünen und der ÖVP möglich wäre?

Ich verstehe, dass die Frage wahnsinnig interessant ist. Aber ich kann Sie nicht beantworten. Manche Dinge muss man ausblenden, um sich auf das richtige Ziel zu fokussieren. Ich denke über Koalitionen insofern noch nicht nach, weil der Zeitpunkt einfach verfrüht ist. Am Wahlabend, wenn wir die Ergebnisse sehen, dann werden alle sicher irgendwelche Phantasien dazu haben. Man konzentriert sich auf das Wesentliche. Wir müssen erst einmal wieder den Boden unter den Füßen haben und wissen, dass wir im nächsten Parlament auch einen Platz haben. Was danach kommt, wird sich entwickeln. Was ich gut finde – es gibt Dinge, die für uns extrem wichtig sind, also unser Profil. Wir werden nicht vorschnell wegrennen. Ein Gespräch zu verweigern, das entspricht uns nicht. Nach den Wahlen wird es von Seiten Werner Koglers Gespräche geben. Für alles andere muss man den 29. (September, Anm.) abwarten.

Nun sind die Grünen wieder mit einem Sitz in der Salzburger Landesregierung vertreten. Wo ist Ihrer Meinung nach die Grüne Handschrift in der Regierungsvereinbarung? 

Naja, auf jeden Fall hat Heinrich Schellhorn ein ziemliches Megaressort bekommen. Ich war in den Regierungsverhandlungen noch dabei und hab sozusagen so viel wie möglich in sein Ressort hineingepackt. Auch in Formulierungen und Zielen ist sicher einiges an Grüner Handschrift drinnen. Natürlich nach Maßgabe der eigenen Position: mit knapp zehn Prozent und nur einem Regierungsmitglied ist die Verhandlungslage eine schwächere. Man ist nicht immer mit allem einverstanden. Aber Kompromisse gehören dazu. Eine andere Zusammensetzung der Regierung heißt auch ein Wechsel in manchen Prioritäten oder finanziellen Gewichtungen. Ich finde aber, es läuft in Summe gut in dieser zweiten Legislaturperiode, und ich glaube, dass eine gute Gesprächsbasis da ist.

Wenn man zurückblickt, dann sind einige Ihrer Projekte als Verkehrslandesrätin in der Öffentlichkeit stark kritisiert worden. Vor allem die Dauerbrenner wie der 80er auf der Autobahn, die Stromautobahn, die Raumplanung. Dann noch prominente Themen wie die Ausbauten der Einkaufszentren. Würden Sie das heute anders angehen?

Ich bin mit diesen Themen wahrscheinlich der größte Reibebaum des Landes geworden. Aber es waren Themen, die mir einfach extrem wichtig waren. Ich habe gesagt, ich weiß, dass es schwierig wird, aber ich will alles versuchen, was machbar ist. Und die Raumordnungsnovelle, die mit allen Gemeinden, Bürgermeistern und Interessensgruppen zu verhandeln war, war ein Megaprojekt. Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden, damit hat Salzburg österreichweit Aufmerksamkeit erregt. Und es war eine schöne Zeit, weil es medial so intensiv diskutiert wurde. Da heißt es immer, Raumordnung, wer nimmt sich das freiwillig? Ich habe es immer gewollt, weil in der Raumordnung so viele soziale Komponenten mitentschieden werden. Wo ist die nächste Kinderbetreuung, gibt es Mietwohnungen in der Gemeinde? Gibt es für die Schulkinder einen Fußweg zum Bus?

Wenn eine Gemeinde das beherzt macht, kann sie extrem viel Gutes tun. Wenn aber manche Grundsätze in der Planung vergessen werden, oder zu schnell und leichtfertig an falschen Plätzen gebaut wird, zerstört das viele wichtige Strukturen, gerade in den ländlichen Gemeinden. In Salzburg können nur 20% der gesamten Landesfläche als Siedlungsraum genutzt werden. Diese bescheidenen Flächen, die wir uns auch mit der Landwirtschaft teilen müssen, sind so wertvoll und unvermehrbar. Wenn wir die mit Parkplätzen zubetonieren, da möchte man weinen. Und es gibt zu viele Parkplatzflächen, die zu groß sind, die allermeiste Zeit leer stehen und im Sommer vor Hitze glühen. Da sind Fehler gemacht worden, aus denen man dringend lernen muss.

Die Themen und Kämpfe waren notwendig. Auch, wenn ich nach wie vor nicht nachvollziehen kann, wieso Tempo 80 auf ein paar Kilometern so ein Drama war. Es ist noch immer die einzig wirksame Maßnahme, um die Luftschadstoffe zu senken. Eine Maßnahme zum Schutz der Gesundheit für tausende Menschen, die in diesem stark belasteten Raum leben. Das funktioniert in vielen anderen Städten ganz selbstverständlich. Da hat man bei uns wahrscheinlich einen komischen Nerv getroffen. Aber wenn der Tag kommt, an dem die Luft endlich die Grenzwerte einhält, und die Automobilhersteller bei den Abgaswerten nicht mehr so schamlos tricksen, wie in den letzten Jahren, dann wird es vielleicht auch besser. Aber vielleicht brauchen wir dann das Tempolimit, um den Klimazielen ein Stück näher zu kommen.

In Salzburg passiert aus einem Umweltblickwinkel betrachtet derzeit sehr viel. Wir haben die Stausituation, die Grenzkontrollen, die Sperren auf der Autobahn als neue Maßnahme; den Ausbau der Lokalbahn, der schon lange im Gespräch ist. Und es gibt noch viele Problemstellen wie den Sommerfahrplan der Salzburg AG. Wie stehen Sie zu den Sachen, die gerade anstehen?

Alles, was das Thema Mobilität in eine umwelt- und klimaschonendere Richtung bringen soll, muss mit dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs beginnen. Die Verzahnung der Stadt mit dem Umland verkehrsmäßig zu verbessern, da ist noch viel Ausbaubedarf. Die Lokalbahn in den Norden Richtung Lamprechtshausen ist ein riesen Erfolgsmodell. Aber ich muss natürlich auch das andere Ende betrachten. Solange das Auto kostenlos in der Stadt oder bei der Firma parken kann, wird die Convenience in der Gesamtrechnung gewinnen. Ich brauche daher push und pull. Die flächendeckende Parkraumbewirtschaftung wird von der Stadt bereits in Angriff genommen. Diese Gelder sollten natürlich für den öffentlichen Verkehr zweckgebunden werden oder auch für park&ride Parkplätze. Auch Jobtickets wären extrem wichtig. Es gibt bereits Firmen, die das machen und ihren MitarbeiterInnen Jahrestickets zur Verfügung stellen. Mein Ziel wäre es, dass Familien am Land die Chance haben, mit nur einem Auto auszukommen. Das ist momentan schwierig, da sind es eher zwei oder drei Autos pro Familie.

Richtet man den Blick auf Pendler, stellt sich die Frage, ob man das in der Realität umsetzen könnte? Für eine Familie, in der beide Elternteile zum Arbeiten in die Stadt pendeln müssen, sind die Verkehrsbedingungen nicht immer optimal. Ist es prinzipiell umsetzbar, aktuell zumindest?

Wenn der Weg zum Arbeitsplatz mit dem öffentlichen Verkehr gut möglich ist und nur noch einer mit dem PKW pendeln muss, ist es auch ein spürbarer Kostenfaktor für die Familie. Zusätzlich gibt es geförderte Fahrgemeinschaften, Park & Ride-Plätze und Carsharing-Initiativen in den Gemeinden. Es zählt, wie komme ich zu einer gut getakteten Haltestelle?

Vielfach sind auch noch Kinder irgendwo hinzubringen. Diese Vernetzung der Alltagswege zu verbessern heißt aber auch, Siedlungsgebiete künftig dort auszuweisen, wo wir guten ÖV (öffentlichen Verkehr, Anm.) haben. Die S3 Richtung Golling funktioniert perfekt. Im nächsten Schritt brauchen wir noch günstigere Jahrestickets für den öffentlichen Verkehr, auch daran wird bereits gearbeitet. Ich glaube, die grobe Richtung stimmt.

Halten Sie den Sommerfahrplan für gerechtfertigt?

Ich halte das für kein gutes Signal und habe das auch immer kritisiert. Da sind bei der Salzburg AG mit der Zeit Engpässe sichtbar geworden. Letztes Jahr war es der katastrophale technische Zustand der Busse. Offenbar wurden die Serviceintervalle nicht ausreichend eingehalten. Dazu kommen Engpässe beim Buspersonal und stressige Arbeitsbedingungen zu den Stoßzeiten, um den Fahrplan einhalten zu können. Eventuell braucht es auch noch die eine oder andere Busspur in der Stadt und an den Haupteinfahrtsrouten. Ich wünsche mir immer noch, dass die Salzburg AG eine aktivere Rolle spielt – sowohl beim Umbau unserer Energieversorgung, aber natürlich auch in der Mobilität.

Beim Geothermie-Projekt in Bayern wäre auch viel mehr drinnen gewesen. Man muss hinterfragen, ob die Konstruktion der Aktiengesellschaft für so wichtige öffentliche Unternehmen auf Dauer vertretbar ist. Denn die Vorstände argumentieren immer – beispielsweise die Salzburg AG – mit sechs bis sieben Prozent Rendite. Das finde ich weit überhöht, weil innovative Projekte damit nie zustande kommen. Bei der Tiwag in Tirol haben sich die Vorstände für wichtige Projekte im öffentlichen Interesse die Zustimmung vom Aufsichtsrat geholt, mit niedrigerer Rendite in die Wirtschaftlichkeitsberechnung gehen zu können. Damit kann ich innovative Projekte für die Energiewende machen, etwa im Bereich Fernwärme oder Geothermie. Aber wenn die Standardberechnung immer mit sechs bis sieben Prozent Rendite hineingeht, fallen innovative Projekte meistens durch. Und da war leider überhaupt keine Bereitschaft bei der Salzburg AG spürbar. Ich finde, da müssen die Eigentümer mehr Druck machen. Ein Bundesland, in dem der Hauptenergieversorger als wichtigster Partner nicht mitspielt, hat ein riesiges Defizit in der Umsetzung klimarelevanter Energiemaßnahmen.

Eine aktuelle Frage, die den Wahlkampf zumindest im Bereich der Umweltpolitik mitbestimmen wird: Wie stehen Sie zur CO2- Steuer?

Ich glaube mich zu erinnern, dass sich inzwischen mehrere Parteien diesem Thema angenähert haben. Österreich gehört bald zu den letzten, die das für notwendig halten. Es braucht aber das Gesamtpaket einer ökologisierten Steuerstruktur. Die CO2-Steuer alleine wird uns nicht retten. Es braucht ein Steuerpaket, in dem klimaschädliche Aktivitäten mehr kosten und Klimaschutz belohnt wird. Es kann nicht sein, dass ein Betrieb, der sich bei der Ressourcenoptimierung bemüht, unterm Strich benachteiligt ist, weil er im Sinne ökologischer Kostenwahrheit teurer produziert. Und daneben gibt es noch immer viele „billigere“ Produkte, die in Wahrheit ihre Umwelt- und Klimaauswirkungen irgendwohin externalisieren. Genau da sind wir immer noch beim falschen Indikator für Wirtschaft. Wir knien nieder vor dem BIP. Aber das BIP ist in Wahrheit eine blitzdumme Kennzahl, die nur die Produktion von Dienstleistungen und Gütern im Inland bewertet und alles andere ausblendet. Ob da jetzt sinnlos Ressourcen vergeudet werden, oder ob es riesige Überschüsse gibt, wird ignoriert. Kaufen und Wegschmeißen fördert das BIP. Es berücksichtigt keinerlei soziale Komponenten oder Umweltkomponenten. Das geht nicht. Da gibt es längst bessere Modelle für Wirtschaftskennzahlen, die Ökonomie, Ökologie und Soziales zusammenführen. Sonst rennen wir weiter den falschen Kennzahlen nach, in die falsche Richtung.

durchgeführt von: Konstantin Ghazaryan und Alexander Speierle-Vidali

Wir bedanken uns bei Astrid Rössler für das Gespräch.

Konstantin Ghazaryan
Neben seiner Mitwirkung an der Interviewführung und -ausarbeitung, verfasst der Political Science MA-Absolvent vor allem Analysen und Kommentare für die Bereiche der internationalen und europäischen Politik. Die Bereiche Sicherheitspolitik, Allianzen und Diplomatie gehören zu seinen Schwerpunkten.

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