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Fangen wir mal mit dem ersten Thema an, nämlich Politikverdrossenheit. Was verstehst du unter diesem Begriff, verbunden mit der Jugend?

Also ich finde, das Politikverdrossenheit vielmehr Politikerverdrossenheit ist. Die Leute sind einfach genervt von Politikern, die nicht auf den Punkt kommen und eher um den heißen Brei herumreden. Ich glaube auch, dass gerade junge Leute eine extrem klare Sprache fordern. Im Schülerparlament zum Beispiel werden keine Phrasen gedroschen, da wird einfach nachgefragt, ob jemand für oder gegen etwas ist. Ich glaube einfach, dass junge Leute viel direkter sind.

Ich merke das bei meiner Mama. Wenn ich mit ihr ZIB2 anschaue, dann schaltet sie irgendwann ab, weil es ihr irgendwann gleichgültig. Junge Leute sind da glaube ich interessierter, die sagen „uns ist das nicht gleichgültig, wir wollen mehr wissen“.

Also sind politische Themen älteren Menschen gleichgültig während junge Leute interessierter sind?

Ja, teilweise kommt mir das so vor. Bei jungen Leuten ruft diese Politik(er)verdrossenheit oder der Ärger über die Politik mehr Emotionen hervor als wie bei älteren Menschen.

Woran denkst du liegt das?

Eine wichtige Ursache ist, dass es jahrelang alte Männer, 50+ teilweilse 60, im Anzug mit grauen Haaren in der Politik gab: So stellt man sich einen Paradepolitiker vor. Da fehlt dann halt der Zugang. Ich glaube, dass ein junger Mensch sich leichter tut mit einem Menschen, der annähernd gleichalt ist, der lockerer ist, der sich einfach bodenständiger gibt. Bei einem Herrn Dr. Dr. im Anzug tut sich ein junger Mensch schwer.

Ist es denn nicht Aufgabe der Politik sowas zu erklären? Müssten hier die Medien mehr eingreifen?

Ich glaube, dass wir in der Politik gerade sowieso einen Wandel haben; hervorgerufen durch Social Media. Der Politiker kann mit einer Hand voll Leute kommunizieren und für alle anderen hat er die Medien gebraucht. Die Medien waren ein Instrument für jeden Politiker. Und hier haben wir durch Social Media einfachere Kanäle, wo man die Leute direkt ansprechen kann. Hier besteht die Aufgabe des Politikers, seine Themen und Entscheidungen zu erklären. Ob man für oder gegen was ist, kann man am einfachsten durch Social Media mit der ganzen Welt teilen. Das finde ist meiner Meinung nach teilweise schwer, Sachen, die man selber versteht, einfach zu erklären. Ich tu mir da auch schwer. Ich bin ja gelernte Juristin und einen einfachen Sachverhalt in drei Sätzen darstellen ist oft nicht einfach.

Aber kann diese Einfachheit nicht ausarten? Oder anders gesagt: Besteht die Gefahr, dass man komplexe Sachverhalte zu sehr kürzt und dann Richtung Populismus abrutscht?

Nein, weil Populismus ja verfälscht. Wenn man einfach einen Sachverhalt so darstellt wie er ist, dann ist er ja nicht populistisch. Er ist einfach noch nicht gefärbt, er ist so dargestellt wie er ist.

Wir haben zum Beispiel eine Kollegin im Landtag, die dort immer alles in leichter Sprache wiedergibt. Für Menschen mit Behinderungen. Es soll also wirklich in drei kurzen Sätzen erklärt werden, was wir tun und wofür wir stehen. Das sind Sätze ohne Beistriche und immer einzeilig. Für mich ist das immer spannend zum Durchlesen. Deswegen glaube ich, dass man politische Inhalte auch ohne Fachbegriffe verkürzt darstellen kann. Es lässt sich jeder Begriff einfach erklären und darstellen.

Angehängt an Social Media: Würdest du sagen, dass ihr generell unabhängiger von traditionellen Medien geworden seid. Auch dadurch bedingt, dass ihr euch selbständiger präsentieren könnt?

Ich glaube, dass Social Media ein extremes Potenzial hat. Aber auch eine Gefahr ist, siehe Fake News und Trump. Diese Sachen zeigen uns einfach die Risiken auf. Grundsätzliche glaube ich trotzdem, dass es einfach geworden ist. Man muss immer auf seine Zielgruppen aufpassen. Es gibt einfach Menschen, die Social Media noch nicht angenommen haben, gerade viele ältere Personen. Die klassischen Medien gilt es deshalb trotzdem nicht zu unterschätzen. Klassische Medien nutzen schließlich auch Social Media. Ich glaub auch, dass die Bevölkerung immer noch ein großes Vertrauen in die klassischen Medien hat. Wenn ich z.B. einen Presse-Artikel auf Facebook lese, dann vertrau ich dem mehr, als wie wenn etwas irgendwo ungefiltert dargestellt wird. Deshalb denke ich, dass die klassischen Medien trotzdem wichtig und wertvoll sind. Vor allem weil sie dadurch auch ein gewisses Vertrauen genießen.

Wir würden die nun gern eine paar Fragen zu deiner Arbeit als Politiker stellen. Inwiefern spielen Netzwerke in der Politik eine Rolle?

Unglaublich wichtig. Wenn ich bedenken, dass ich mit 21 in den Landtag gekommen bin. Damals hatte ich ein Netzwerk gleich Null. Die meisten Menschen, die ich gekannt habe waren selbst noch in der Ausbildung. Ein Netzwerk aufbauen blieb mir allein überlassen.

Wie bist du auf die Landesliste gekommen? Wie hat sich das zugetragen?

Ich glaube, ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und habe das richtige Geschlecht gehabt – und bin aus dem richtigen Bereich gekommen.

Würdest du sagen, dass eine Partei eine Art Familie ist? Oder eher mehr oder weniger?

Zunächst einmal hat jeder Interessen. Für mich ist die Partei wie ein großer Verein, wo ich mich ehrenamtlich engagiere. Ich vergleiche das mit einem ehrenamtlichen Engagement bei Fußballern oder bei der Feuerwehr. Bei der ÖVP und der Feuerwehr gibt es z.B. gemeinsame Interessen, eine gemeinsame Grundeinstellung. Das verbindet. Ich würde das jetzt nicht als Familie bezeichnen, das geht zu weit. Freundeskreis passt hier schon besser.

Wenn ich mit der JVP zu internationalen Treffen mit z.B. der Jungen Europäischen Volkspartei fahre, dann merkt man immer schnell, dass die Partei eigentlich einen großen Freundeskreis schafft. So ein Kongress findet alle 2 Jahre statt, bis jetzt war ich dort zweimal. Man versteht sich mit allen auch gleich auf Anhieb, weil man in gewisser Weise die gleiche Grundeinstellung zum Leben hat. Auch in Deutschland habe ich viele Freunde, die bei der Jungen Union tätig sind.

Kann man das auch umdrehen und sagen: Wenn man diese Grundgemeinsamkeiten nicht hat teilt man ihnen automatisch Eigenschaften zu und findet man sie dann automatisch unsympathischer?

Ja, ich glaube schon, dass man das unterbewusst macht. Also bei uns als ÖVP ist es glaube ich die SPÖ als gegenüberliegendes Team. Man hat glaube ich über Jahrzehnte offene Rechnungen und es geht eben hin und her. Ob es unser Verschulden oder ihres ist, das ist egal.

Grundsätzlich ist es jedoch so, dass ich mich als Politikerin mit jeder Person auf einen Kaffee treffen kann, egal welcher Partei er angehört. Ob NEOS, SPÖ, Grüne oder FPÖ, das spielt keine Rolle.

Mit Simon Hofbauer (Grüne, Salzburg), der genau wie ich auf der Landesebene tätig ist, verstehe ich mich hervorragend, wir arbeiten auch extrem gut zusammen. Er ist mir einfach menschlich total sympathisch. Bei seinem 30. Geburtstag war ich auch eingeladen und war natürlich die einzige ÖVPlerin. Natürlich habe ich mir schon vorher gedacht, dass dort einige „Linke“ sein werden. Von der KPÖ bis zur SPÖ war alles vertreten gewesen. Und ja, natürlich spielt das schon mit, man kann sich glaube ich schon verstehen, aber unterbewusst passiert da so viel.. wenn über kurz oder lang rauskommt, dass er bei der SPÖ dabei ist.

Ist das nicht gefährlich? Konstruiert man sich dann nicht ein bisschen eine Blase?

Vom Umfeld her? Freunde und Bekanntenkreis?

Ja, inwiefern nimmt man das Politische mit ins Private? Besteht die Gefahr, wenn man Politikerin ist?

Ja ich glaub schon, dass die Gefahr besteht. Ich muss aber anmerken, dass ich z.B. in meinem Freundeskreis, den ich schon aus der Schulzeit habe, oder mit meiner besten Freundin überhaupt nicht über Politik rede. Was ich also vor der “Politik” war ist nachwievor noch in meinem Leben und ist auch „Politik-unabhängig“. Ich habe meiner besten Freundin noch nie gesagt was sie wählen soll, das ist bei uns kein Thema.

Wie ist das bei deiner Familie bzw. deinen engsten Verwandten?

Meine Familie erdet mich immer, wenn man das so sagen kann. Wenn ich oder die Partei einen Blödsinn gemacht hat, dann versuche ich mich meistens vor meiner Familie zu verteidigen. Sie sagen mir dann immer, dass ich damit aufhören soll. Deshalb bin ich immer ganz froh, dass mich meine Mutter und mein Bruder immer wieder auf den Boden bringen.

Ich komme z.B. nicht aus dem klassischen ÖVP Haus. Die erste unserer Familie die ÖVP Mitglied ist bin ich. Mein Opa war beim Wirtschaftsbund und hatte da auch ein Unternehmen. Wir waren immer bürgerlich konservativ eingestellt aber ich bin die erste die halt wirklich engagiert ist.

In meinem Reitverein, wo ich ein Pferd habe, da rede ich auch nicht über Politik. Ich glaub man hat auch ein Leben außerhalb der Politik. Trotzdem glaube ich aber schon, dass als Politiker/in durchaus die Gefahr besteht, dass man in eine Politikblase gerät.

Ist die Gefahr größer wenn man jünger ist?

Ja das glaube ich schon, denn man kommt gar nicht aus. Man wächst gemeinsam rein. Jedoch wenn man 40 bzw. 50 Jahre als Quereinsteiger in die Politik kommt, dann hat man schon viel erlebt. Ich denke auch, dass die Gefahr bei jungen Leuten besteht, weil sie ja praktisch nie außerhalb der Politik gearbeitet haben. Ich finde das genau so problematisch, wenn jemand nach dem Lehramtstudium direkt wieder in die Schule geht.

Vielleicht könnte man sagen, dass man dadurch den Realitätssinn verliert. Ich denke einfach, dass man immer auch die Blick zur Seite beibehält und nicht starr nur einen Weg geht.

durchgeführt von: Alexander Speierle-Vidali und Kevin Schröcker

Wir bedanken uns bei Martina Jöbstl für das Gespräch.

Alexander Speierle-Vidali
Als Political Science MA-Student mit praktischer Political Campaigning Erfahrung spezialisiert sich Alexander auf die Analyse von österreichischer & internationaler Politik sowie Wahlstrategien. Außerdem wirkt er federführend an den Gesprächen mit.

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